Stand-der-Technik-Recherche: Anlässe, Nutzen und Expertentipps

Wie lässt sich herausfinden, was es im Stand der Technik bereits gibt? Hier erfahren Sie, wie die Recherche funktioniert und was Sie beachten sollten!

Stand-der-Technik-Recherche Ablauf Ziel

 

Einleitung

Informationen und (Fach-)Wissen gelten neben den klassischen Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital als vierter Produktionsfaktor. In vielen Unternehmen in Industrieländern stellen Informationen und (Fach-)Wissen die Ressource dar, die zu mindestens 60 % für die Gesamtwertschöpfung eines Unternehmens verantwortlich ist [JAS10]. Dies begründet sich auch dadurch, dass in den letzten Jahrzehnten die Entwicklung, die Produktion und der Vertrieb in nahezu allen Branchen wesentlich kapitalintensiver geworden sind. Fehlentscheidungen aufgrund unzureichender Informationslage können daher heutzutage erheblich kostspieliger ausfallen.

Für Unternehmen relevantes Fachwissen kann grundsätzlich in der Wirtschaftsliteratur, der technischen und naturwissenschaftlichen Fachliteratur sowie in der Patentliteratur recherchiert werden. Bezogen auf Unternehmen, die Forschung und Entwicklung (FuE) betreiben, sollten Recherchen vor, während und nach technischen Entwicklungen durchgeführt werden. Sie dienen u.a. zur Markt- und Wirtschaftlichkeitsanalyse, zur Lösungsfindung und zur Beurteilung der Patentierungsaussichten. Welche Faktoren und Anlässe in Bezug auf Recherchen zum Stand der Technik besonders relevant sind, erfahren Sie im Folgenden:

  • Was gehört alles zum Stand der Technik?
  • Was bedeutet Stand der Technik im patentrechtlichen Sinne?
  • Wann sollte eine Stand-der-Technik-Recherche durchgeführt werden?
  • Basisrecherchen nach Stand der Technik (vor FuE)
  • Begleitrecherchen nach Stand der Technik (während FuE)
  • Prüfrecherchen zur Marktfähigkeit, Patentierbarkeit und Ausübungsfreiheit (nach FuE)
  • Wie sinnvoll sind Eigenrecherchen?
  • Auftragsrecherchen bei Rechercheinstituten
  • Fazit mit Checkliste

 

Was gehört alles zum Stand der Technik?

Der Stand der Technik umfasst alle vorhandenen Kenntnisse, Techniken, Methoden und Informationen in einem bestimmten technologischen Bereich zu einem bestimmten Zeitpunkt. Dazu gehören:

  • Durch die Patentämter veröffentlichte Gebrauchsmuster-, Offenlegungs- und Patentschriften
  • Artikel in wissenschaftlichen Zeitschriften, Konferenzbeiträge, Dissertationen und andere schriftliche Veröffentlichungen
  • Bücher und technische Handbücher
  • Technische Normen und Industriestandards
  • Präsentationen, Poster und andere Informationen, die auf Messen und Konferenzen öffentlich vorgestellt wurden
  • Internetquellen und elektronische Medien
  • Andere Formen öffentlich zugänglicher Informationen

 

Was bedeutet Stand der Technik im patentrechtlichen Sinne?

Im patentrechtlichen Sinne bzw. aus der Sicht eines amtlichen Patentprüfers umfasst der Stand der Technik alle Informationen, die vor dem Anmeldedatum einer Patent- oder Gebrauchsmusteranmeldung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. Wenn eine Erfindung bereits im Stand der Technik vorhanden ist, kann sie als nicht neu betrachtet werden und möglicherweise nicht für ein Patent in Frage kommen. Im Einzelfall gilt es jedoch zu beachten, dass es durchaus länderspezifische Besonderheiten gibt, was zum Stand der Technik zählt. Beispielsweise besteht in Deutschland bei einer Gebrauchsmusteranmeldung eine 6-monatige Neuheitsschonfrist auf Veröffentlichungen, die vom Anmelder selbst stammen. Bei der Prüfung eines Patentantrags bewerten die amtlichen Prüfer, ob die Erfindung nicht durch den Stand der Technik vorbekannt (Neuheit) und durch diesen für den Fachmann auch nicht nahegelegt (erfinderische Tätigkeit) und somit patentfähig ist.

Lesetipp: Erfindungen patentieren: Die 12 schlimmsten Anfängerfehler

 

Wann sollte eine Stand-der-Technik-Recherche durchgeführt werden?

Unternehmen, die FuE betreiben, sollten Recherchen nach dem Stand der Technik in verschiedenen Phasen ihres Entwicklungsprozesses durchführen, um sicherzustellen, dass ihre Innovationen neuartig sind und dieselben oder vergleichbare technische Lösungen nicht bereits bekannt oder gar am Markt verfügbar sind. Bei über einem Drittel aller technischen Entwicklungen zeigt sich nach ihrer Fertigstellung, dass sie im Vorfeld im Stand der Technik hätten gefunden werden können und somit bereits Bekanntes noch einmal entwickelt wurde [IP19].  Diese vermeidbaren „Doppelentwicklungen“ binden im Unternehmen personelle Kapazitäten und verursachen womöglich erhebliche, aber unnötige Kosten. Mit anderen Worten: Unternehmen riskieren durch ungenügende Recherchen ihre Wettbewerbsfähigkeit.

Als sinnvolle Zeitpunkte für Stand-der-Technik-Recherchen werden drei Phasen im Entwicklungsprozess unterschieden [IP19]:

  • Basisrecherchen in der Phase vor einer Entwicklung
  • Begleitrecherchen in der Phase während einer Entwicklung
  • Prüfrecherchen in der Phase nach einer Entwicklung

Basis- und Begleitrecherchen stellen sicher, dass eine bereits bekannte Technologie nicht „doppelt“ entwickelt wird. Darüber hinaus muss in allen drei Phasen – insbesondere aber nach erfolgter Entwicklung – ermittelt werden, ob für die Neuentwicklung ein Markt besteht und inwieweit Entwicklungen der Konkurrenz oder bestehende Schutzrechte von Dritten (Freedom-to-Operate / FTO) zu berücksichtigen sind.

Stand-der-Technik-Recherchen Phasen und Ziele

Lesetipp: Hier finden Sie mehr zum Thema FTO-Recherche bzw. FTO-Analyse.

 

Basisrecherchen nach Stand der Technik (vor FuE)

Bereits zu Beginn der Ideenentwicklung ist es sinnvoll, eine grundlegende Recherche durchzuführen. Dies kann dazu beitragen, festzustellen, ob ähnliche Konzepte bereits existieren, und den Fokus der Innovation zu schärfen. Wenn im Unternehmen ein neues Projekt angestoßen wird, sollten erste Basisrecherchen nach dem Stand der Technik durchgeführt werden, um festzustellen, ob ähnliche Technologien oder Produkte bereits auf dem Markt existieren. Dies kann beispielsweise nach einem Kickoff-Treffen der an der Entwicklung beteiligten Ingenieure und Kaufleute sein. Die mit einer Stand-der-Technik-Basisrecherche verfolgten Zielsetzungen können sowohl technischer als auch wirtschaftlicher Natur sein:

  • Produktbewertung
  • Produktplanung
  • Marktanalyse

 

Begleitrecherchen nach Stand der Technik (während FuE)

Stand-der-Technik-Begleitrecherchen sind projektbezogene Recherchen nach dem aktuellen Wissensstand in Forschung und Technik. Neben Forschungsinformationen geben Schriften der Patentliteratur Aufschluss über die neuesten Entwicklungen, auch wenn diese (noch) nicht am Markt eingeführt sind. Begleitrecherchen unterstützen die Entwicklungs-, Konstruktions- und Forschungsarbeiten und helfen bei der Ideenfindung, dem Auffinden einsetzbarer Materialien, Produkte und Vorprodukte sowie beim Bau und der Erprobung von Versuchsträgern. Hierzu kann auch die Suche nach Produzenten bzw. Zulieferern zählen. Stand-der-Technik-Begleitrecherchen sollen den Entwicklern zu folgenden Aspekten Hilfestellungen geben:

  • Entwicklung
  • Konstruktion
  • Forschung
  • Ideenfindung
  • Versuche
  • Prototypen

 

Prüfrecherchen zur Marktfähigkeit, Patentierbarkeit und Ausübungsfreiheit (nach FuE)

Recherchen zur Marktfähigkeit einer Neuentwicklung, etwa im Rahmen einer kompakten Wirtschaftlichkeitsanalyse, stellen den Beginn einer wirtschaftlichen Beurteilung sein. Diese Recherchen sollten von erfahrenen Rechercheinstituten und nicht von Ingenieuren und Kaufleuten des eigenen Unternehmens durchgeführt werden. Entsprechende Prüfrecherchen sollten sofort nach erfolgter Entwicklung vorgenommen werden und sich auf die relevanten Märkte und die Wettbewerber fokussieren. Konkrete Anlässe für Stand-der-Technik-Prüfrecherchen sind:

  • Marktanalysen
  • Erstserie / Produktion
  • Markteinführung

Vor der Markteinführung ist es zudem wichtig zu überprüfen, ob es neue Entwicklungen oder Technologien gibt, die die Position des Produkts im Markt beeinflussen könnten. Auch während des Produktlebenszyklus können regelmäßig vorgenommene Stand-der-Technik-Recherchen dazu beitragen, mögliche Innovationen und Anpassungen zu identifizieren, die sich durch neue Technologien, neue Markttrend oder das Verhalten der Wettbewerber ergeben.

Zum Ende oder nach Abschluss des Entwicklungsprozesses dienen spezifische Recherchen zur Überprüfung, des Entwicklungsergebnisse hinsichtlich Neuheit bzw. Patentierbarkeit sowie hinsichtlich technischer Durchführbarkeit und Marktfähigkeit. Spätestens bei der Erstserienproduktion ist es wichtig, eine zielgerichtete Recherche durchzuführen, um sicherzustellen, dass die Innovation noch einzigartig ist. Wenn technische Spezifikationen und Merkmale festgelegt werden, können weiterhin FTO-Recherchen durchgeführt werden, um sicherzustellen, dass keine bestehenden Patente von Dritten verletzt werden und für die Technologie Ausübungsfreiheit vorliegt [SIG21].

Lesetipp: Patenrecherche: Das müssen Sie wissen

 

Wie sinnvoll sind Eigenrecherchen?

Recherchen nach dem Stand der Technik werden entweder selbst durchgeführt und im Folgenden Eigenrecherchen genannt, oder aber sie werden in Auftrag gegeben und Auftragsrecherchen genannt. In beiden Fällen erfordert die Durchführung einer Recherche nach dem Stand der Technik Zeit, Zugang zu relevanten Datenbanken und Fachkenntnisse sowohl im Bereich des gesuchten Technologiegebiets als auch in der Handhabung der Datenbank (z.B. DEPATISnet des Deutschen Patent- und Markenamts) und der erforderlichen Recherchemethodiken. Wenn Sie über die notwendigen Ressourcen und Fachkenntnisse verfügen, können Sie die Recherche möglicherweise selbst durchführen. Die Vorteile einer Eigenrecherche liegen auf der Hand: Sucht derjenige selbst, der mit einer Entwicklung befasst ist, sind das Fachvokabular und relevante Synonyme bereits bekannt, was für eine Recherche essenziell ist. Zudem wird derjenige in den Datenbanken und ermittelten Dokumente nicht nur die eigentlich gewünschten Informationen, sondern darüber hinaus auch Lösungen oder Anregungen finden, nach denen er möglicherweise zunächst gar nicht suchte, welche aber dennoch im weiteren Verlauf des Entwicklungsvorhabens hilfreich sein können. Ein beauftragter Rechercheur kann dagegen immer nur das finden, was ihm aufgetragen wurde. In vielen Fällen ist es ratsam, zumindest die Anfangsphase eine Recherche selbst durchzuführen, um eine grobe Vorstellung vom Stand der Technik zu bekommen. Basierend auf den Ergebnissen können Sie dann entscheiden, ob eine vertiefte, professionelle Recherche notwendig ist – etwa, wenn sich die FuE-Planungen konkretisieren oder für eine Kunden oder Partner ein Recherchenachweis erbracht werden soll.

 

Auftragsrecherchen bei Rechercheinstituten

Wenn Sie ein professionelles Rechercheinstitut beauftragen, eine Recherche nach dem Stand der Technik durchzuführen, ist es essenziell, klare und präzise Informationen zu übermitteln, um sicherzustellen, dass die Recherche Ihre spezifischen Anforderungen erfüllt. Neben dem eigentlichen Anlass für die Stand-der-Technik-Recherche sollte an die folgenden Schlüsselinformationen gedacht werden.

Definieren Sie das genaue Technologiegebiet oder den Bereich, für den die Recherche durchgeführt werden soll. Teilen Sie auch mit, ob Sie auf spezifische technische Merkmale oder Anwendungen fokussiert sind. Je genauer Sie die Technologien oder Anwendungen angeben, desto gezielter kann eine Recherchestrategie erarbeitet werden. Nennen Sie Schlüsselbegriffe und Suchbegriffe, die in die Recherche einbezogen werden sollen. Dies hilft dabei, die Suche zu präzisieren und irrelevante Informationen zu minimieren.

Wenn die Recherche auf bestimmte geografische Regionen, Länder oder Sprachen beschränkt sein soll, teilen Sie dies dem Rechercheinstitut mit. Manchmal ist es wichtig, den Stand der Technik in einem bestimmten Markt oder einer bestimmten Region zu kennen. Definieren Sie ggf. auch den Zeitrahmen, der für die Recherche relevant ist. Dies könnte das Anmeldedatum Ihrer eigenen Patentanmeldung sein oder ein bestimmtes historisches Datum, bis zu dem der Stand der Technik ermittelt werden soll.

Wenn Sie bereits über Vorinformationen oder eigene Rechercheergebnisse verfügen, teilen Sie diese dem Rechercheinstitut mit. Dies kann dazu beitragen, doppelte Recherchearbeit zu vermeiden und die Effizienz der Recherche zu steigern. Eine gute Kommunikation zwischen Ihnen und dem Rechercheinstitut sind der Schlüssel zu einer erfolgreichen Recherche. Eine Stand-der-Technik-Recherche kann je nach Präzisierungsgrad der Rechercheanfrage sehr umfangreich ausfallen – stimmen Sie daher im Vorfeld die Aufgabenstellung, das Budget und den Zeitrahmen ab.

 

Fazit

Stand-der-Technik-Recherchen liefern für innovative Unternehmen, Forschungseinrichtungen, Startups und Gründer unverzichtbare Entscheidungsgrundlagen während der gesamten Entstehung einer Innovation. Der Fokus der Recherchen ist individuell und richtet sich unter anderem nach dem Zeitpunkt im Entwicklungsprozess. Es lassen sich nicht nur Lösungen für technische (Teil-)Aufgaben und geeignete Zulieferer für die technische Umsetzung ermitteln. Auch Fragestellungen zum Marktpotenzial können begleitend beleuchtet werden.

Weitere Patentrecherchen sind von elementarer Bedeutung, wenn es darum geht, eine Erfindung zu schützen und Patentanmeldungen einzuleiten. Auch, wenn Sie kein Patent anmelden möchten, müssen Sie sicherstellen, dass Sie bei der Vermarktung nicht gegen bestehende Patente verstoßen und Ausübungsfreiheit besteht.

Wenn Sie die Punkte in der folgenden Checkliste beachten, steigen Qualität, Aussagekraft und Nutzen einer Stand-der-Technik-Recherche.

 

Checkliste für Stand-der-Technik-Recherchen

  • Der Anlass der Recherche ist klar und darauf basierend wird die richtige Rechercheart gewählt.
  • Die Recherche(n) erfolgen zum richtigen Zeitpunkt (z. B. im Rahmen der Produktplanung oder vor einer Patentanmeldung).
  • Der Recherchegegenstand und die technischen Merkmale sind vollständig beschrieben und die Zielsetzung der Recherche ist nachvollziehbar.
  • Die Recherche wird professionell von einschlägig qualifizierten Rechercheuren durchgeführt.
  • Der Aufwand und Detailierungsgrad der Recherche sind sinnvoll bemessen.
  • Die Rechercheergebnisse sind ausführlich und nachvollziehbar aufbereitet.

 

EZN: Ihr professioneller Dienstleister für Recherchen

Wir führen seit 1981 qualifizierte Recherchen zu den verschiedensten Themengebieten durch. Recherchen werden bei EZN nicht von Fachfremden durchgeführt, sondern von Experten, die eine universitäre ingenieurwissenschaftliche Ausbildung und eine Zertifizierung als Patentingenieur haben. Bei der Durchführung unserer Recherchen und der Erstellung unserer Gutachten richten wir uns nach Ihren speziellen Bedürfnissen. Dabei orientieren wir uns an dem Standard für Recherchen zu gewerblichen Schutzrechten – eine Qualitätsvereinbarung des Netzwerks der Patentinformationszentren, das unter Aufsicht des Deutschen Patent- und Markenamts steht. Kommen Sie gerne auf uns zu, wenn Sie an einem individuellen Angebot interessiert sind und nutzen Sie unseren Recherche-Service. Wir freuen uns auf Sie!

 

Quellen

[JAS10] Prof. Dr. Wolfgang Jaspers: Wissensmanagement – Faktor Wissen in der heutigen Zeit immer wichtiger, veröffentlicht am 26. Februar 2010, verfügbar unter: business-wissen.de.

[IP19] IP for IP – Intellectual Property for Intellectual People GmbH in Kooperation mit der Friedrich-Schiller-Universität Jena: Gewerblicher Rechtsschutz, Studienunterlagen, 2019/2020

[SIG21] Arbeitsgemeinschaft Deutscher Patentinformationszentren e.V. (PIZnet): Standard für Recherchen zu gewerblichen Schutzrechten, 2021, verfügbar unter: Recherchestandard

 

Haftungsausschluss

Die in diesem Beitrag veröffentlichten Inhalte wurden sorgfältig erarbeitet und geprüft. Eine Garantie für Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität kann dennoch nicht übernommen werden. Dieser Artikel enthält lediglich allgemeine Hinweise und keine Beratung. EZN erbringt keine Rechtsberatung – diese erfolgt durch Fachanwälte. Eine Haftung für Handlungen, die aufgrund der Beitragsinhalte vorgenommen oder unterlassen werden, wird deshalb im weitest zulässigen Rahmen ausgeschlossen.

 

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